Geburtagsjubilarin Christel Stemann hält sich mit Laufen weiter fit

1967 schrieb die US-Amerikanerin Kathrine Switzer Sportgeschichte, als sie beim Boston-Marathon mit Wollmütze und Trainingsanzug getarnt die damals für Frauen noch verbotene 42,195 km-lange Distanz zurücklegte. Niemand traute damals dem weiblichen Geschlecht eine derartige Belastung zu, denn die 800 Meter bildeten zu jener Zeit bei den Olympischen Spielen die längste Strecke. Als sich Christel Stemann, die am 8. November ihren 80. Geburtstag feiert, zehn Jahre später bei einer Laufveranstaltung in Dortmund-Lanstrop erstmalig auf die klassische Distanz wagte, brauchte sie sich nicht wie Kathrine Switzer zu verstecken, aber sie war bei der Ausdauerprüfung die einzige Frau.

Bei ihrem Debüt schaffte sie respektable 3:59:00 Stunden und qualifizierte sich damit auf Anhieb für die Deutschen Marathonmeisterschaften in Frankfurt. Damals war Christel Stemann im Laufbereich noch eine Exotin. Dies erfuhr sie auch bei ihren Trainingsrunden in den Parks und Wäldern des Dortmunder Südens. Die Geburtstagsjubilarin kann sich noch gut an eine Begebenheit mit einem Sparziergänger erinnern, der ihr riet, dass sie zuhause lieber in den Ecken putzen solle als durch die Gegend zu laufen. Inzwischen gehören Läuferinnen zum Alltagsbild auf Straßen oder in Grünanlagen.

Christel Stemann war Anfang der 1970er Jahre die einzige Dortmunderin, die sich auf Laufstrecken wagte, die früher sonst nur Männern vorbehalten waren. Einige Jahre später kam noch die heutige Ehren-Vorsitzende der Viermärker Waldlauf Gemeinschaft Elisabeth Brand hinzu.

Arzt gab den entscheidenen Tipp

Stemann entdeckte ihr Herz für den Laufspaß im Rahmen der damaligen Trimm-Trab-Bewegung. Ein Arzt hatte ihrem Ehemann Dieter Stemann, der später sogar den Ironman-Triathon schaffte, empfohlen, es einmal mit Laufen zu versuchen. Auch Christel Stemann nahm sich den Tipp des Arztes zu Herzen und schnürte sich fortan regelmäßig die Laufschuhe. „Mein Problem war allerdings, dass Dieter selbstständig war, und ich sehr viel alleine laufen musste. Das war vor allem in den dunkeln Jahreszeiten nicht angenehm,“ betont Christel Stemann, die bei ihren Lauftouren zweimal von Männern belästigt wurde. Mit solchen Ärgernissen brauchte die Dortmunder Marathon-Pionierin in den Folgejahren nicht mehr zu kämpfen, weil immer mehr Frauen Gefallen am Langstreckenlauf fanden. Beim Lauftreff der Viermärker Waldlauf Gemeinschaft, für den sich Christel Stemann 35 Jahre lang einsetzte, beträgt der Frauen-Anteil in einigen Gruppen inzwischen mehr als 50 Prozent: Auch auf der Marathon-Strecke sind die Frauen weiter auf dem Vormarsch. So finishten beim  Berlin-Marathon 2019 13.295 Läuferinnen. Dies entspricht einem Frauen-Anteil 30,14 Prozent.

Insgesamt 24 Mal absolvierte Christel Stemann die Marathon-Distanz. Zweimal war sie beim weltweit größten Marathon in New York dabei. Ihre beste Zeit erzielte sie 1983 beim Marathon in Bremen mit 3:30:00 Stunden. Ein weiteres Mal legte sie die klassische Distanz im Rahmen des Ironman-Triathlon 1992 in Roth zurück, als sie die extreme Ausdauerprüfung (3,86 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,195 km-Laufen) nach 13:11:18 Stunden beendete. 20-mal startete die Dortmunder Ausdauerspezialistin in ihrer Laufbahn bei einem pausenlosen Dreikampf.

Vorbildliches Engagement für den Verein

Christel Stemann engagierte sich auch im großen Maße für ihren Verein. So leistete sie 30 Jahre wöchentlich Schrittmacherdienste beim Zertifikatslauf, bei dem 17 Kilometer in einem hügeligen Gelände in 100 Minuten zurückgelegt werden mussten. Sie betreute 35 Jahre den Lauftreff, der zu den größten und ältesten in Deutschland zählt, und verbesserte 22 Jahre mit einer gezielten Gymnastik die Beweglichkeit der Läuferinnen und Läufer.

Die inzwischen 80-Jährige will sich auch in Zukunft weiter mit Laufen fit halten. So joggt sie dreimal in der Woche noch etwas mehr als eine Stunde. Der Sport hat ihr im Laufe der Jahre unwahrscheinlich viel gegeben. In erster Linie nennt sie dabei Gesundheit und die vielen Freundschaften, die sie in der Vergangenheit knüpfen konnte und die sie noch heute pflegt.