Interessante Talkrunde in Dortmund mit Annegret Richter und Michael Huke

Wunschlos glücklich zu sein – das kann nicht jeder von sich behaupten. Beim Treffen der „Freunde der Leichtathletik“ (FdL) im SportCentrum des TSC Eintracht Dortmund anlässlich der 65. Deutschen Hallenmeisterschaften in der Helmut-Körnig-Halle verriet Annegret Richter bei einer Talkrunde, dass all ihre Träume in Erfüllung gegangen sind, und sie somit rundum zufrieden ist.

So hat die Doppel-Olympiasiegerin im Sport alles erreicht, ihre Tochter Daniela arbeitet nach ihrer Promotion in der Krebsforschung, ihr Sohn Marcus steht kurz vor dem Abschluss seines Medizinstudiums, und sie führt seit 1971 eine glückliche Ehe mit dem Hürdensprinter Manfred Richter. „Mir fällt kein Traum mehr ein, weil ich schon so vieles Traumhaftes erlebt habe und noch erlebe. Das ist wunderbar und ich hoffe, dass das noch lange so bleibt“, teilte die frühere Weltklasse-Sprinterin den „Freunden“ mit.

Auf die Frage, ob sie sich zutrauen würde, wenn sie noch einmal 20 wäre, wieder in der absoluten Weltspitze mitzumischen, antwortete die Botschafterin des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW): „Ich kann nur sagen, dass ich sicherlich wieder die Leistungen abrufen könnte, die ich früher einmal erreicht habe. Die Laufbahnen sind schneller geworden und das Material der Spikes hat sich erheblich verbessert. Dadurch haben sich die Grundvoraussetzungen verändert“.

Die frühere 100m-Weltrekordlerin (1976: 11,01 sek) betonte daher, dass man die 1960er und 1970er Jahre, in denen sie aktiv war, mit den heutigen Zeiten nur bedingt miteinander vergleichen kann: „Ich habe vor den Olympischen Spielen in München lediglich viermal in der Woche trainiert, vor Montreal habe ich dann die Einheiten auf acht bis zehn hochgeschraubt. Mehr kann man meiner Meinung als Sprinterin nicht machen. Allerdings haben sich heutzutage die Trainingsmethoden verändert. Auch das mentale Training, von dem wir früher noch nichts gehört haben, spielt inzwischen eine wichtige Rolle. Daher hinken die Vergleiche zwischen heute und gestern.“

Richter, die trotz ihrer großartigen Erfolge nie den Boden unter den Füßen verloren hat, erklärte, dass ihr der Sport unwahrscheinlich viel gebracht hat – nicht in finanzieller, sondern in erster Linie in menschlicher Hinsicht. Im Zuge ihrer Laufbahn hat sie zahlreiche Freundschaften knüpfen können. So ist sie heute noch befreundet mit der Jenaerin Renate Stecher, die 1976 im Olympiafinale über 100m ihre größte Widersacherin (2. in 11,13 sek) war. Auch erinnert sich Annegret Richter gerne an die vielen Reisen, die sie während ihrer aktiven Laufbahn unternahm.

Der zweite Talkgast des Abends, Michael Huke, hat als Aktiver noch das Sportfördersystem der DDR kennen gelernt. 1989 belegte er bei den DDR-Meisterschaften den dritten Platz über 100 Meter in 10,36 Sekunden. Nach seinem Wechsel zum TV Wattenscheid wurde er  über 200 Meter zweimal (1991 und 1994) und mit der 4x100m-Vereinsstaffel fünfmal Deutscher Meister. Der jetzige Leistungssportkoordinator des TV Wattenscheid  kennt sich somit in beiden Systemen bestens aus. „Es ist in der damaligen DDR viel Geld in den Leistungssport investiert worden. Alles war gut durchorganisiert und professionalisiert. Das hat den Werdegang eines Sportlers viel einfacher gemacht, weil alles vorbestimmt war. Auch über die Zeit  nach dem Karriere-Ende brauchte man sich keine Gedanken zu machen. Das war natürlich ein großer Vorteil“, betonte der Olympia-Teilnehmer von 1996.

Talentfindung darf keine Glückssache sein

Wer nicht einen Platz bei der Bundeswehr oder der Polizei hat, oder einem Verein  angehört, der wie damals der TV Wattenscheid mit Klaus Steilmann über einen großzügigen Sponsor verfügt, hat es heutzutage schwer, eine duale Karriere einzuschlagen. Daher kommen, so Michael Huke, viele junge Athletinnen und Athletinnen trotz einiger viel versprechender Erfolge bei internationalen  Nachwuchsmeisterschaften in der Erwachsenen-Klasse nicht ganz oben an.

Der TV Wattenscheid hat durch seine gute Vernetzung Zugriff auf Elitenschulen des Sports und die NRW-Sportschule. Durch dieses Verbundsystem hat der Verein auch viele Kontakte zu weiterführenden Schulen und Grundschulen, in denen regelmäßig Sichtungen durchgeführt werden. „Die Talentsichtung und Talentförderung ist an unserem großen Standort möglich, aber, wenn wir in die Region oder ländliche Bereiche  gehen, ist es schon deutlich schwieriger, talentierte Mädchen und Jungen für die Leichtathletik zu gewinnen. Da ist die Talentfindung eine Glückssache. Das wird uns das Leben in den nächsten Jahren noch schwer machen“, vermutet Michael Huke.

Die Probleme lassen sich seiner Meinung bereits bei den verschiedenen  Regionalmeisterschaften erkennen, bei denen ein deutlicher Rückgang bei den jüngeren Jahrgängen zu erkennen ist. Michael Huke fordert daher: „Dem müssen wir entgegenwirken,  indem wir die Sportlehrerinnen und -lehrer mehr in die Talentsichtung einbinden. Da benötigen wir aber die Unterstützung der Politik“.